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Genthin: Stadtratsbeschluss zum Austritt aus dem Tourismusverein floppt – erneute Sondersitzung schon morgen

Stadtgeschehen
  • Erstellt: 29.11.2022 / 07:03 Uhr von cl
Gestern Abend ist in Genthin der Stadtrat zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Einziger großer Tagesordnungspunkt: der Austritt aus dem Tourismusverein Genthin, Jerichow, Elbe-Parey e.V. Wir berichteten vorab: [KLICK]. Doch tatsächlich ist es gestern Abend zu gar keiner Entscheidung gekommen, denn der Stadtrat war aufgrund mangelnder Teilnahme der Mitglieder nicht beschlussfähig. Die Anwesenheitszahlen legen für Außenstehende die Vermutung nahe, dass einige Stadträte eine bewusste Taktik gewählt haben - mit dieser nun aber nicht weit kommen:

So war gestern Abend die gesamte Fraktion Wählergemeinschaft Genthin-Mützel-Parchen, bestehend aus acht Mitgliedern, geschlossen nicht anwesend. Die Fraktion ist eine gemischte Gruppe aus Mitgliedern von Pro Genthin, der Wählergemeinschaft Mützel und der FDP. Der scheidende Fraktionsvorsitzende Falk Heidel (Pro Genthin) hatte sich in den vergangenen Monaten immer wieder deutlich gegen den Austritt aus dem Tourismusverein ausgesprochen und auch bestätigt, dass seine Fraktion sich dieser Meinung einstimmig anschließt. Der Stadtratsvorsitzende Gerd Mangelsdorf (CDU) hatte sich im Zusammenhang mit dem Fernbleiben einiger Räte gestern so geäußert, dass dies im Wesentlichen die Stadträte seien, die dem Austritt aus dem Verein ablehnend gegenüberstehen.

Austritt gefährdet jahrelang gewachsenes Netzwerk
In der Stadtratssitzung im Juni diesen Jahres hatte Heidel mitunter drastische Worte gewählt. Ein Austritt würde die touristischen Strukturen zerschlagen, sagte Heidel damals. Er sprach von einem geführten „Krieg gegen den Tourismusverein“, wie ihr [HIER] nochmal nachlesen könnt. Würde Genthin seine Touristinfo und den Anschluss an den Tourismusverein verlieren, wäre dieses Netzwerk im Alleingang auch nicht wieder aufzubauen und damit ein großer Verlust für die Stadt und die gesamte Region, hatte Heidel damals sinngemäß erklärt.

Sondersitzung nicht beschlussfähig
Was der ein oder andere im Vorfeld schon vermutet hatte, bestätigte sich gestern Abend. Mit 13 Mitgliedern zuzüglich des stimmberechtigten Bürgermeisters waren zu wenige Ratsmitglieder zur Sitzung gekommen, um einen rechtskräftigen Beschluss zu fassen.

Die Stimmung in der Angelegenheit Tourismusverein ist schon lange aufgeheizt. Genthins Bürgermeister Matthias Günther (parteilos) war bis zu seinem Austritt neben seinen Amtskollegen aus Elbe-Parey und Jerichow als geborenes Mitglied einer der Vorsitzenden des Vereins. Unter anderem war Matthias Günther gegen seine Vorstandskollegen vor Gericht gezogen, da er Fragen zu den Geschäftsabläufen der vom Verein als Gesellschafter betriebenen QSG mbH, vom damaligen Geschäftsführer Lars Bonitz schriftlich beantwortet haben wollte. Dies hatten ihm Nicole Golz und Harald Bothe damals versagt.

Lest hier unsere Zusammenfassungen zum damaligen Gerichtsstreit in Sachen Tourismusverein:
- Genthiner Bürgermeister Günther zieht seine Kollegen vor Gericht – Die Region hat das Nachsehen?!
- Abgeschmettert: Darum hat das Amtsgericht die Klage von Matthias Günther abgelehnt
- Bürgermeister Matthias Günther gegen den Tourismusverein: Chancen für Günther stehen nicht schlecht!
- Genthin: Bürgermeister Günther bekommt wie erwartet vor Gericht Recht! Nächste Klage ist vorprogrammiert

Der Beschluss zum Austritt steht nicht zum ersten Mal auf der Tagesordnung des Stadtrates. Ende September hatte es ein nochmaliges Gespräch zwischen dem Stadtratsvorsitzenden Gerd Mangelsdorf (CDU), dem Genthiner Bürgermeister Matthias Günther und dem mittlerweile verstorbenen Jerichower Bürgermeister Harald Bothe gegeben. Ein Fortschritt konnte dabei nach Angaben der Verwaltung nicht erzielt werden.

Verstrittene Lager bewegen sich nicht aufeinander zu
Besonders Vertreter der Fraktionen DIE LINKE und DIE GRÜNEN/ LWG Fiener sehen einige Nachteile, wenn Genthin weiterhin Mitglied im Tourismusverein bleibt. Lutz Nitz (DIE GRÜNEN) hatte in der Stadtratssitzung im Juni 2022 erklärt, dass aus seiner Sicht der Tourismusverein in den vergangenen Jahren nichts mehr für Genthin gemacht habe. Was gemacht wurde, wurde nach seinen Aussagen über die Stadt und über Kooperationsverträge umgesetzt. Er räumte damals aber auch ein, dass ein Austritt überhaupt nicht nötig wäre, „wenn wir uns aufeinander zu bewegen würden“, so Nitz. Eine solche Bewegung war aus seiner Sicht aber nicht zu erkennen.

Nicole Golz und damals auch Harald Bothe hatten mehrfach signalisiert, aufgrund der Vorkommnisse um die Rechtsstreitigkeiten nicht mehr mit Matthias Günther zusammenarbeiten zu wollen. Nitz‘ Ratskollegin Gabriele Herrmann (DIE LINKE) hatte im Hauptausschuss im Juni erklärt, dass aus ihrer Sicht die aktuelle Satzung des Tourismusvereins der Stadt mehr Schaden als Nutzen bringe. Die Stadt Genthin sei an keiner Entscheidung mehr beteiligt und durch die Satzungsänderung mit einem Mehrheitssystem 2:1 und keinem Veto-Recht könnte sie dies auch in Zukunft nicht sein, auch wenn es einen anderen Bürgermeister geben würde. Dieser Fakt wurde im Sommer kritisch diskutiert.

So wurde vor der Sommerpause lediglich die Kündigung der Zweckvereinbarung zum Betrieb der Touristinfo beschlossen. Im Falle des Verbleibs im Verein, hätte eine neue Zweckvereinbarung aufgesetzt werden können. Lest hier nochmal die Hintergründe nach: [KLICK]
Nun drängt die Zeit für einen Austritt – schon morgen ist wieder eine Sondersitzung angesetzt
Der Austritt aus dem Tourismusverein kann nur zum Jahresende umgesetzt werden. Dafür muss die Stadt spätestens vier Wochen vorher den Austritt schriftlich einreichen. Aufgrund der fehlenden Beschlussfähigkeit erklärte der Stadtratsvorsitzende Mangelsdorf gestern Abend zwei Möglichkeiten, wie weiter in der Sache verfahren werden kann. Mit Bezug auf die Dringlichkeit der Entscheidung gab es zum einen die Möglichkeit, dass der Bürgermeister im Alleingang per Eilentscheidung entscheidet, dass der Austritt aus dem Verein vollzogen wird. Zum anderen kann eine erneute Sondersitzung einberufen werden. Dafür ist dann auch keine gesonderte Frist der Ladung einzuhalten.
Das regelt die Geschäftsordnung des Stadtrates, § 1, Absatz 6. Darin heißt es:

„In dringenden Angelegenheiten, die keinen Aufschub dulden (Notfall), kann der Stadtrat vom Vorsitzenden ohne Frist, formlos und nur unter Angabe der Verhandlungsgegenstände einberufen werden. Ein Notfall ist gegeben, wenn die Beratung und Entscheidung über die Angelegenheit nicht bis zur nächsten Sitzung aufgeschoben werden kann, ohne dass nicht zu beseitigende Nachteile eintreten“. (Auszug aus der Geschäftsordnung für den Stadtrat und seine Ausschüsse sowie für die Ortschaftsräte der Stadt Genthin, Quelle: Stadtverwaltung)
Fraglich ist, welcher Notfall in der hier abzustimmenden Sache tatsächlich vorliegt. Nach Informationen, die dem Meetingpoint exklusiv aus Stadtratskreisen vorliegen, wurde in den vergangenen Jahren in verschiedenen anderen Zusammenhängen mehrfach versucht, eine Sondersitzung des Rates einzuberufen. Obwohl die Voraussetzungen dafür stets erfüllt waren, wurde dies vom Vorsitzenden mehrfach abgelehnt. Für die Agenda Tourismusverein, wird also augenscheinlich ein anderer Maßstab der Bewertung von Dringlichkeiten angesetzt.

Morgen fällt ein Beschluss – auch wenn reihenweise Ratsmitglieder nicht erscheinen
Da für den benannten Beschluss bereits mehrfach Anlauf genommen wurde, ist bei der nächsten Sondersitzung - nach Aussagen des Vorsitzenden Gerd Mangelsdorf - keine Mindestanzahl anwesender Ratsmitglieder mehr erforderlich. Der Vorsitzende beruft sich dabei auf den § 55, Absatz 2, des Kommunalverfassungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (KVG LSA), der ein solches Verfahren bei vorheriger Beschlussunfähigkeit zulässt.
Das heißt: selbst wenn alle Stadträte, die gegen den Austritt sind, der nächsten Sondersitzung fern bleiben, ist ein Austritt wahrscheinlich. Denn dann werden die Ratsmitglieder, die sich ohnehin für den Austritt ausgesprochen haben, auch ohne Gegenstimmen den Beschluss zum Austritt fix machen.

Nach einer Absprache unter den Fraktionsvorsitzenden wurde beschlossen, dass es eine erneute Sondersitzung geben soll. Gibt es dann aber keine Mehrheit, die für den Verbleibt im Verein stimmt, kommt diese Entscheidung auch der Variante der Eilentscheidung durch den Bürgermeister gleich – denn dieser ist bekanntermaßen und belegbar durch die vorgenannten Gründe für den Austritt aus dem Tourismusverein.

Gestern wurde in der Sitzung lediglich verkündet, dass die neuerliche Sondersitzung schon morgen stattfinden soll. Uhrzeit und Ort waren bis dato unbekannt, doch noch am späten Abend hatte die Verwaltung dazu Infos im öffentlichen Ratsinformationssystem hinterlegt. Die erneute Sondersitzung findet morgen um 12 Uhr im Rathaus im Sitzungssaal statt, wie ihr hier nachlesen könnt: [KLICK]. Fraglich ist angesichts der gewählten Uhrzeit jedoch, wie viele Stadträte dann an der Sitzung teilnehmen können.

Wir halten euch weiterhin auf dem Laufenden!

Bilder

Der Genthiner Stadtrat hatte gestern derart ausgedünnte Reihen, dass er nicht beschlussfähig war.
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Kommentare

  •  
    Leserin schrieb um 23:39 Uhr am 29.11.2022:
    Ich bin entsetzt über die Scheinheiligkeit des BM und des Stadtratsvorsitzenden. Wenn sie in anderen Sachen doch auch mal so viel Engagement zeigen würden.

    Morgen um 12 Uhr kann der noch arbeitende Teil des Stadtrates sicher nicht zur Sitzung kommen. So Beschlüsse durchzusetzen zeigt, wie viel einige Teile des Stadtrates inkl. BM Demokratie verstehen.

    Soll er doch seinen Eilentscheidung fällen, dann muss er mal allein die Verantwortung übernehmen.

    Ich versteh den ganzen Schei... nicht. Sind wir hier im Kindergarten? Sich weiter zu isolieren, bringt Genthin nicht weiter. Aus diesem Verein treten wir aus - mit der Begründung es bringt uns nix. Aber in andere, die sich um den z.B. Radwegbau im Sachsen-Anhalt kümmern will, treten wir ein - das bringt dann total viel.
    •  
      OMG schrieb um 10:16 Uhr am 29.11.2022:
      Inrgendwann stimmt dann der BM mit seinen Staadträten der "letzten Generation", die an ihren Stühlen festgeklebt sind, ab.
      Das ist mal wieder ein Stück aus dem Tollhaus.
      Reißt Euch zusammen!