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Wird Jerichow bald von der Außenwelt abgeschnitten? - B107 Ortsumgehung nimmt Fahrt auf

Stadtgeschehen
  • Erstellt: 26.04.2024 / 10:03 Uhr von rp
Wenn es nach dem Bundeswegeplan 2030 geht, dann könnte das von vielen Jerichowern befürchtete Szenario des Abschnitts von der Außenwelt bald eintreten. Doch auf der anderen Seite begrüßen auch einige Jerichower den Plan, die B107 aus der Stadt zu verbannen. Wir haben alle Infos und Hintergründe für euch: 

Wie kam es dazu?
Wir schreiben Mitte der 1990er Jahre, dort hatte Jerichow ein Problem, das lautete nach Aussage von Bürgermeisterin Cathleen Lüdicke und Ralf Demann vom Tiefbauamt, dass die B107 in der Ortsdurchfahrt zwei Nadelöhre hatte. Das waren zwei Häuser, die auf der B107 Zwangspunkte darstellte. Das eine Haus war die Karl-Liebknechtstraße 1. Dieses Haus stand einer direkten Straßenführung im Weg und die Straße ging buchstäblich im rechten Winkel drumherum. Das zweite Haus stand in der Naumannstraße 1. Dieses Haus stand mittig auf der Straße, sodass die B107 nur einspurig daran vorbeiführte. Durch diesen Umstand kam man damals, laut Diemann, auf die Idee eine Umgehungsstraße für Jerichow anzustreben. Im Jahre 1999 fingen dann aber die Planungen einer Alternative an und man baute schlussendlich die beiden blockierenden Häuser zurück und sanierte für rund 2,1 Millionen Euro die Ortsdurchfahrt.
Darunter fallen laut Peter Mennicke von der Landesstraßenbaubehörde aber nicht nur die Straße, die nur rund 870.000 Euro kostete, sondern auch archäologische Grabungen und schlussendlich die Erneuerung und Umverlegung der Ver- und Entsorgungsleitungen.

Durch diese Maßnahme war die Ortsdurchfahrt laut Lüdicke und Demann eigentlich kein Hinderniss mehr und es gab somit auch keinen Grund, weiterhin an einer B107 Umgehungsstraße festzuhalten. Die Landesstraßenbaubehörde griff dieses Thema allerdings 2014 für ihren Bundeswegebauplan 2030 wieder auf und haben 2020 damit begonnen eine erste faunistische Planungsanalyse und Europaweite Ausschreibungen der Planungsleistungen zu starten. Die erste Kostenschätzung für eine Umsetzung lag, laut Mennicke, 2014 bei rund 11,1 Millionen Euro. Derzeit geht die LSBB von Kosten in Höhe von 17 Millionen Euro aus.

Warum nimmt die LSBB die Planung einer Umgehungsstraße auf?

Peter Mennicke von der LSSB dazu: „Die Ortsumgehung Jerichow im Zuge der B 107 ist im Bundesverkehrswegeplan 2030 mit einer Gesamtlänge von 4,7 km im sogenannten Vordringlichen Bedarf enthalten. Aus dieser Priorisierung („Vordringlicher Bedarf“) ergibt sich der Planungsauftrag für die Straßenbauverwaltung des Landes Sachsen-Anhalt.“

Braucht Jerichow eine Umgehung?

Was das angeht, spalten sich in Jerichow die Meinungen, wie Bürgermeisterin Cathleen Lüdicke meint. Die eine Partei ist für eine Umgehung der B107, diese Parteien wohnen zum Großteil direkt an der Straße und sind vom Lärm und Erschütterungen des Durchgangsverkehrs direkt betroffen. Die anderen sind dagegen und machen sich für die Zukunft ihrer Geschäfte in Jerichow Sorgen. Demnach halten in Jerichow viele Leute um kurz aufzutanken, gehen in Gaststätten oder holen sich einfach nur etwas zu essen oder bleiben mit ihrem Camper auf dem Parkplatz am Kloster Jerichow und schauen sich dort weiter um. Kommt es also zu einer Umgehung, haben diese Gewerbetreibenden Existenzängste. Hinzu kommt, dass alle vorgeschlagenen Varianten der LSBB die Ortschaft Steinitz von der B107 abschneiden. Die Steinitzer müssten dann durch Jerichow in Richtung Genthin, um am Knotenpunkt am Abzweig nach Klietznick auf die B107 aufzufahren. Wie plant die LSSB und welche Kriterien werden berücksichtig. Sind auch die Gewerbetreibenden dabei?
Peter Mennicke von der LSSB dazu: „Es wurden verschiedene Varianten des Streckenverlaufs – ganz konkret 4 östlich von Jerichow verlaufende Trassen – ergebnisoffen miteinander verglichen und so die Vorzugsvariante für das Vorhaben ermittelt.

Hierbei sind für alle zu betrachtenden Varianten die Kriterien

• raumstrukturelle Wirkung,
• verkehrliche Belange,
• entwurfs- und sicherheitstechnische Beurteilung,
• Umweltverträglichkeit und
• Wirtschaftlichkeit


untersucht, bewertet und gegeneinander abgewogen worden. Nach Abstimmung mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) wurde letztlich eine Vorzugsvariante festgelegt.

Selbstverständlich sind beim Variantenvergleich neben umwelt- und naturschutzfachlichen Aspekten (z. B. Betroffenheit von Biotopen) auch Abstände/Betroffenheiten von Wohnbauflächen und Sonderbauflächen (z. B. Krankenhaus) sowie die sich daraus ergebenden erforderlichen Anforderungen an die Straßenplanung (z. B. Lärmschutz) berücksichtigt worden.

Belange von Gewerbetreibenden werden bei der Wahl einer Vorzugsvariante noch nicht berücksichtigt. In dieser Planungsphase geht es zunächst um die Ermittlung des neuen Trassenverlaufes. Die alte B 107 wird ja nicht zurückgebaut und steht nach dem Bau der OU weiterhin zur Erschließung der Grundstücke und Gewerbebetriebe weiterhin zur Verfügung.

Mit dem Bau der OU ggf. begründete Existenzgefährdungen spielen später im Rahmen der Entwurfs- und Genehmigungsplanung eine wichtige Rolle. Neben den Gewerbebetreiben an der alten Bundesstraße sind dabei hauptsächlich landwirtschaftliche Betriebe Gegenstand der Betrachtungen, die ggf. Flächen für den Bau der OU abgeben müssen.“

Alle Varianten führen durch bewaldetes Gebiet, weshalb man um eine Rodung auf der Verlaufsfläche Flächen nicht drumherum kommt. Wie wird das kompensiert?

Peter Mennicke von der LSSB dazu: „Es ist generell so, dass jeder Eingriff in die Natur/Umwelt, der im Zuge von Straßenbaumaßnahmen unvermeidlich ist, ausgeglichen werden muss. Dazu gehört die Schaffung neuer Lebensräume für die hier vorkommenden Tierarten genauso, wie der Ersatz/die Neuanpflanzung von Bäumen, die im Zuge eines Bauvorhabens weichen müssen.“

Die Radwege

Wie Ralf Demann vom Tiefbauamt Jerichow meinte, nehmen die Radwege eine gesonderte Konstellation ein. Diese werden von der geplanten Umgehungsstraße geschnitten und müssten entweder unter- oder überführt werden. Eine Überführung braucht allerdings eines weiten Vorlauf. Peter Mennicke von der LSBB versicherte uns, dass die Radwege erhalten bleiben.

Wie ist der weitere Werdegang bis zur eventuellen Fertigstellung und wann wäre diese?

Peter Mennicke von der LSSB dazu: Belastbare Aussagen zur weiteren Zeitschiene, zu einem möglichen Baubeginn oder gar zur Fertigstellung sind beim jetzigen Stand der Planungen unmöglich.

Im Ergebnis der Vorplanung (Vorzugsvariante) wurde zunächst „nur“ der grobe Verlauf der künftigen OU bestimmt. Die detaillierte Ausarbeitung der Vorzugsvariante, einschließlich der Optimierung des Verlaufs im Rahmen der gewählten Trassenführung sowie der Nachweis der Einhaltung von Immissionsgrenzwerten bzw. (ggf.) die Planung von Lärmschutzmaßnahmen, erfolgt nun in der nächsten Planungsstufe – der „Entwurfsplanung“.

Danach müsste das Bundesministerium für Digitales und Verkehr den sogenannten Gesehenvermerk erteilen, bevor es mit der Genehmigungsplanung weitergeht. Erst dann erfolgt die Ausarbeitung der Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren, das dann mit einem Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen wird.

Was unternimmt nun die Stadt Jerichow in diesem Fall

Die Stadt selbst hat in dem Fall kein Mitspracherecht, denn die Entscheidung ob eine Ortsumgehung kommt oder nicht, liegt beim Bund. Lediglich das Recht einer Stellungnahme ist den Gemeinden und Kommunen gegeben. In dieser Stellungnahme kann eine Gemeinde sich zum Vorhaben äußern und Stellung beziehen.

Alle Jerichower sind gefragt

Wie uns Gemeindebürgermeisterin Cathleen Lüdicke sagte, möchte sie die Bürger in die Stellungnahme der Stadt mit einbeziehen. Dazu liegt ab sofort im Rathaus und in Geschäften der Stadt eine Pro- und eine Kontraliste aus. Am 28. Mai will der Stadtrat dann über die Stellungnahme zur Ortsumgehung tagen. Am 15. Juni muss die Stellungnahme dann der LSBB vorgelegt werden. Bürgermeisterin Lüdicke kann laut eigener Aussage beide Seiten verstehen und würde sich, sollte die Ortsumgehung nicht gewollt werden, dafür einsetzen das eventuell eine Alternative für die Anwohner der Ortsdurchfahrt geboten wird.

Das könnte laut Lüdicke eine erneute Sanierung mit Flüsterasphalt (offenporiger Asphalt) sein oder Förderprogramm, welches Anwohner dabei unterstützt sich Schallschutzfenster anzuschaffen. Die Gemeindeverwaltung selbst hat nach Lüdickes Meinung auch noch das Problem, dass die übrigen Teile der B107 in den Verwaltungsbereich der Gemeinde fallen könnten. Dann müsste der städtische Haushalt für den Unterhalt der Straße herhalten. Eine Alternative wäre eine Kreisstraße, die dann in die Obhut des Landkreises übergeht.
Alle Infos zum Projekt bekommt ihr auf der Webseite der LSBB: [KLICK].

Dokumente


Bilder

Quelle: GeoBasis-​DELVermGeo LSALSBB
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