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Warum Märchen uns faszinieren

Stadtgeschehen
  • Erstellt: 27.11.2022 / 08:03 Uhr von Sandra Maria Geschke
„Es war einmal...“ - so öffnet sich uns die Tür ins fantastische Reich der Elfen und Feen, Prinzen und Prinzessinnen, Abenteuer und Zaubereien. Gerade jetzt, in der Adventszeit, spielen Märchen eine ganz besondere Rolle. Und das nicht nur für Kinder. Denn die Zeit der kürzesten Tage des Jahres öffnet den Blick nach innen, lässt uns ins Nachdenken geraten und bietet als Countdown zum Weihnachtsfest und Jahreswechsel gute Gelegenheiten, die vergangenen Monate Revue passieren zu lassen und Pläne für Kommendes zu schmieden.

Da passt es ganz wunderbar, dass in Märchen die zentralen Lebensthemen wie Glück und Vertrauen, Liebe und Fleiß, Mut und Geduld thematisiert werden. Das fasziniert jung und alt, lädt zum Mitfiebern ein, zaubert ein Lächeln ins Gesicht, ruft Erinnerungen wach und lässt Zukunftspläne wachsen.

Märchenfiguren sind sinnbildliche Gestalten und die Erzählungen über sie ihre Entwicklungsgeschichten, aus denen sich einiges für das eigene Leben lernen lässt. Figuren wie Hans im Glück beispielsweise führen uns vor Augen, dass ein Dasein, welches sich nicht vornehmlich nach Geld und Besitz ausrichtet, unbeschwerter ist und dass ein bewusstes Leben im Jetzt mit all seinen Möglichkeiten die wahrhafte, weil freudvoll erfüllende Bereicherung darstellt. Figuren wie die Goldmarie oder das Aschenbrödel, welche beharrlich und tatkräftig ihr Leben trotz widrigster Umstände leben und dafür mit Wertschätzung und Liebe belohnt werden, stimmen uns hoffnungsvoll. Sie zeigen, dass das Gute sich durchsetzt, das Glück sich zu den Fleißigen gesellt und inneres Wachstum geschieht, wenn die Herausforderungen des Lebens konstruktiv und mutig angenommen werden.

Im Märchen der goldenen Gans wird der Stellenwert des gesellschaftlichen Zusammenhalts offenkundig ins Zentrum gestellt und gezeigt, dass man Großes bewirken kann, wenn man gemeinsam mit anderen an einem Strang zieht und seine individuellen Bedürfnisse dafür auch mal zurückstellen kann.

Diese Werteorientierungen, die in den Erzählungen der Gebrüder Grimm und anderer Märchenautoren im Mittelpunkt stehen, scheinen zeitlos zu sein. Und auch wenn es sicher über die Jahrhunderte zu Anpassungen in der Darstellung einzelner Figuren und ihrer Lebenswirklichkeiten kam und kommen wird, bleibt ihr Bedeutungskern gültig. So bringen uns Märchen in Kontakt mit unseren eigenen Sehnsüchten und Sorgen, Ängsten und Hoffnungen, unseren Unzulänglichkeiten und dem Potenzial, dennoch oder gerade deshalb über uns hinauszuwachsen. Das macht jede Märchenreise zugleich zu einer ganz besonderen Reise: Einer Reise zu uns selbst.

Über die Autorin:
Dr. Sandra Maria Geschke ist Kulturwissenschaftlerin und Genussforscherin, Autorin und Wissenschaftspoetin. Sie lehrt an der Hochschule Magdeburg-Stendal zu Fragen einer bewussten und verantwortungsvollen Gesellschaftsgestaltung sowie Mediennutzung und widmet sich in ihrer Radiosendung „Nachgedacht – die Kultursprechstunde“, auf ihrem Instagramkanal „genussdenker“ sowie in ihrem Bühnenprogramm „Zwischen den Stühlen“ dem bewussten Umgang mit relevanten Lebensthemen zur Kultivierung eines genussvollen Daseins. In ihren Büchern „Nahaufnahmen“ und „Texturen des Alltäglichen“ nimmt sie die kleinen Großartigkeiten des Alltags fotografisch und gedanklich unter die Lupe.

Bilder

Der berühmte Schuh von Aschenbrödel, Quelle: pixabay.com
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