Was läuft tatsächlich bei marego und VBB?
Unsere Nachfrage bei den Verkehrsverbünden marego und VBB brachte unterschiedliche Aussagen zutage, jedoch liefen alle Argumente in ein und dieselbe Richtung: eine Tarifverhandlung im Sinne einer Vergünstigung steht aktuell nicht auf dem Plan. Wir fragten marego und VBB, ob die Gespräche zum Tarif weiterhin verfolgt wurden. VBB-Sprecher Joachim Radünz antwortete uns: „Nach dem intensiven Austausch mit marego vor einigen Jahren, wurden aktuell keine weiteren Gespräche mehr geführt“.
Anders sieht das offenbar marego, denn die Sprecherin des Unternehmens teilte zu unserer Nachfrage mit, dass man im ständigen Kontakt mit den Beteiligten sei: „Der Verkehrsverbund ist zu dem Thema im ständigen Kontakt mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), mit der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH und auch mit der Nahverkehrsgesellschaft Jerichower Land (NJL)“, so Corinna Knigge von marego. Was an dem „ständigen Kontakt“ tatsächlich dran ist, ist ungewiss, denn Knigge räumt ein, dass man sich im Zuge der Anfrage des Meetingpoints mit der NASA und NJL habe austauschen müssen, um den neusten Informationsstand mitteilen zu können.
Zu wenige Pendler – zu hohe Kosten
Weiterhin erklärt die marego-Sprecherin, dass alle Beteiligten gerade daran arbeiten würden, die aktuellen Daten und Informationen auch im Kontext der bestehenden Situation auf dem ÖPNV-Markt zu analysieren. „Nach neusten Erkenntnissen geht der marego davon aus, dass das Pendlerpotenzial weniger als 1000 Personen beträgt, die in der Gemeinde Genthin wohnen und im VBB-Gebiet arbeiten (Auspendler)“, erklärt marego-Sprecherin Corinna Knigge. Ein neues Tarifangebot sei nur dann sinnvoll, wenn man mit Neukundenzulauf rechnen könne, der die möglichen Mindererlöse ausgleicht.
Was Knigge versucht charmant zu umschreiben, stellt VBB-Sprecher Joachim Radünz deutlicher dar: „Eine Ausweitung des marego-Verbundgebietes bis Wusterwitz oder des VBB-Verbundgebietes bis Genthin ist nicht vorgesehen. Der Anstoß dieser beiden Tarife ist nach den geltenden Tarifbestimmungen ebenfalls nicht zulässig“, teilt der Sprecher mit.
Für die Strecke Genthin nach Wusterwitz oder zu anderen Zielorten in Berlin und Brandenburg bestünde die Möglichkeit den Deutschlandtarif zu erwerben. Der Deutschlandtarif ist ein Tarif, der seit dem 1. Januar 2022 im Schienenpersonennahverkehr in Deutschland zur Anwendung kommt und den Nahverkehrstarif der Deutschen Bahn abgelöst hat. „Wer regelmäßig auf dieser Strecke unterwegs ist, kann auch mit der BahnCard 25 sparen“, gibt Radünz als Tipp mit.
Verkehrsunternehmen im finanziellen Zugzwang
Preisrabattierungen führen zu Mindereinnahmen bei den Verkehrsunternehmen, wie der VBB-Sprecher gegenüber dem Meetingpoint erklärt. Diese wären von der öffentlichen Hand auszugleichen. „Die Verkehrsunternehmen benötigen eine auskömmliche Finanzierung aus Fahrgeldeinnahmen und Zuschüssen von Aufgabenträgern, um die hohen Kosten für Strom, Kraftstoff und Personal abdecken zu können“, meint Joachim Radünz. Erfahrungen würden zeigen, dass reine Preissenkungen keinen nennenswerten Beitrag zur nachhaltigen Änderung des Verkehrsverhaltens leisten. Somit werden öffentliche Zuschüsse, die zwangsläufig über Jahre steigen werden, nicht als nachhaltige Lösung angesehen.
Bemühungen aus den Reihen des Genthiner Stadtrates
Auf der einen Seite gibt es aus Sicht der Verkehrsunternehmen zu wenige Pendler, Preisanpassungen sind nicht rentabel. Auf der anderen Seite ist die Verärgerung bei denjenigen, die täglich pendeln, jedoch umso größer. Für die Tarifanpassungen eingesetzt hat sich in der Vergangenheit auch Stadtrat Alexander Otto (CDU). Er sagt: „Viele Menschen aus Jerichow, Genthin und Parey fahren mit dem Auto nach Wusterwitz und von dort aus mit der VBB-Monatskarte weiter“. Dass es nicht genügend Pendler gebe, bezweifelt Alexander Otto, der sich selbst zu dieser Gruppe zählt. Erkennbar sei dies aus seiner Sicht auch an der kontinuierlich gestiegenen Auslastung der Parkplätze am Bahnhof. Er macht deutlich, dass es nicht nur um die Bewohner aus Genthin selbst geht. Es ist ein Problem für die Region. Zur Rechnung der marego-Sprecherin zum Pendlerpotenzial sagt Alexander Otto: „Viele Genthiner fahren direkt nach Wusterwitz, sind also gar nicht erst am Genthiner Bahnhof“. Somit sind eben diese Fahrgäste, die wegen der teuren Zugpreise mit dem Auto ins Land Brandenburg fahren, direkt VBB-Kunden und von marego gar nicht erfasst.
Der CDU-Stadtrat hatte 2018 bei marego einen Vorstoß in Richtung VBB im Sinne der Genthiner angeregt. Unterstützer in der Sache hatte Alexander Otto einige: sowohl Thomas Barz (CDU, damals Beigeordneter des Landkreises Jerichower Land), sowie die Bundestagsabgeordneten Manfred Behrens und Dietlind Thiemann (beide CDU) wollten eine Kompromissfindung erwirken. Derzeit kostet, ungeachtet des 9€-Tickets, eine einfache Fahrt von Genthin zum Berliner Hauptbahnhof 22,70€. Von Wusterwitz aus kostet die Fahrkarte für eine Einzelfahrt 9€, im VBB-Tarif ermäßigt für Kinder bis 14 Jahre sogar nur 6,80€. Mit dem Regio 120 Ticket kommt man aktuell für 17€ von Genthin nach Berlin - für Pendler ist das mit 34€ pro Tag aber immer noch unpraktisch.
Landtagsmitglied Thomas Staudt setzt sich weiterhin ein
Thomas Staudt (CDU), der für den Wahlkreis 05 (Genthin, Elbe-Parey, Jerichow, Tangermünde, Tangerhütte) im Landtag sitzt, hat sich der Problematik nun erneut angenommen. „Nach Auskunft des Ministeriums für Infrastruktur und Digitalisierung ist im Verkehrsverbund marego der Fokus vielmehr auf Gelegenheitsfahrer gelegt worden und nicht auf Pendler. Daraufhin wurden die Tarife für Gelegenheitsfahrer günstiger“, lässt Thomas Staudt auf unsere Anfrage zum Thema wissen. Für eben diese Fahrgäste ist das Regio 120 Ticket ein Kompromiss.
Potenzialbetrachtung landet wegen Corona „auf dem Abstellgleis“
Sachsen-Anhalts Ministerium für Infrastruktur und Digitales hatte bis Ende 2020 eine Potenzialbetrachtung angekündigt. Ziel der Betrachtung war eine Kosten-/Nutzen-Analyse zur Einführung eines möglichen Übergangstarifes sowie der dafür erforderlichen Finanzierungsmöglichkeiten. Geworden ist daraus nichts, da durch die Pandemie die Kapazitäten anders gebunden waren und auch immer noch sind, wie die Ministerin Lydia Hüskens (FDP) dem Landtagsabgeordneten mitteilte. Im Dezember 2021 bat die Ministerin Thomas Staudt weiterhin um Geduld in dem Thema. Seitdem ist erneut ein dreiviertel Jahr ins Land gegangen.
Aber Thomas Staudt bleibt hartnäckig: „Selbstverständlich werde ich weiterhin versuchen, den Wunsch eines einheitlichen Tarifes für Pendler zwischen beiden Bundesländern zu ermöglichen, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen“, erklärt er auf Anfrage des Meetingpoints.
Fazit
Die Verkehrsunternehmen führen vor allem finanzielle Gründe an. Zu wenige Pendler würden das Vorhaben unwirtschaftlich machen. Auch Ministerin Hüskens merkt in ihrer Mitteilung an Landtagsmitglied Staudt an, dass bei Überlegungen in Richtung eines Übergangstarifs darauf geachtet werden müsse, dass es daraus resultierend auf der Gesamtrelation des RE 1 nicht zu deutlichen Mindererlösen kommt. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass die Beteiligten, mit Ausnahme der regionalen Unterstützer um Thomas Staudt und Alexander Otto, die Sache lieber zu den Akten legen würden. Vor kurzem hat Thomas Staudt erneut im Ministerium zur lange angekündigten Potenzialbetrachtung angefragt - eine Antwort steht aktuell noch aus. Die Diskussionen um die Hürden wirken für den Bürger und Fahrgast vor dem Hintergrund, dass es sich hier lediglich um einen Haltepunkt Unterschied handelt, fast schon lächerlich.
Kommentare
Familie belebt das Land schrieb um 09:39 Uhr am 18.08.2022:
Thomas Hill schrieb um 13:20 Uhr am 17.08.2022:
Sicher war die Deutsche Reichsbahn nicht rentabel... Sind die heutigen Betriebe aber auch nicht. Zuschüsse aus Steuergeldern ohne Ende.
Dafür aber überall die gleichen Tarife... Von Rostock bis Dresden und von Frankfurt /Oder bis Marienborn.
Einheitlich und einfach.... Aber einfach will heute ja niemand mehr.
Bunte Bahn schrieb um 11:25 Uhr am 17.08.2022:
Realist schrieb um 09:02 Uhr am 17.08.2022: